Von wegen 222 Millionen Euro: Neymars Wechsel zu PSG wird knapp 800 Millionen Euro kosten. Möglich macht das ein windiger Deal mit Katar. Aber will der Spieler überhaupt weg?
VonSebastianStier
Die historische Bedeutung seines Souvenirs trieb Sergio Ramos die Schadenfreude ins Gesicht.„Ich hoffe, das ist das letzte Trikot, das er für Barça getragen hat“, sagte der Kapitän von Real Madrid nachdem er mit Barcelonas Neymar Leibchen getauscht hatte. Die Szene ereignete sich im Anschluss an Barças 3:2‑Sieg gegen Real am Sonnabend. Ein Clasico, ausgetragen in Miami für die lateinamerikanischen Fans, sportlich wertlos, ein Showspiel und doch wird es mit sehr großer Wahrscheinlichkeit seinen Platz in der Geschichte finden als das letzte Spiel von Neymar im Trikot des FC Barcelona. Der Brasilianer wird den Klub verlassen und zu Paris St. Germain wechseln. Für die festgeschriebene Ablösesumme von 222 Millionen Euro. Weltrekord, natürlich.
Die alte Bestmarke, aufgestellt von Paul Pogba vor einem Jahr, diese 105 Millionen Euro, wirken dagegen wie aus einer anderen Zeit. Neymars Wechsel soll in den kommenden Tagen bekannt gegeben werden. Von der Nordamerikatour kehrte er am Sonntag schon nicht mehr mit der Mannschaft zurück nach Barcelona. Offiziell weilte er zu Sponsorenterminen in China. Das stimmte tatsächlich, nur flog er nach Informationen brasilianischer Medien anschließend per Privatjet direkt weiter nach Katar, um dort mit Qatar Sports Investment einen Sponsorendeal über 300 Millionen Euro abzuschließen.
Insgesamt wird der Wechsel 800 Millionen Euro kosten
Im Gegenzug wird Neymar offizieller Botschafter der WM 2022. Das ist aber nur Vorwand. Die Qatar Sports Investment gehört jener Investorengruppe an, die die Geschicke bei Paris St. Germain lenkt. Durch den Deal soll Neymar in der Lage sein, die vertraglich festgelegte Ausstiegsklausel selbst zu bezahlen. Rein formal müssen Spieler in Spanien dafür selbst aufkommen. So will es der Ligaverband. Bleibt immer noch ein nettes Handgeld von 78 Millionen Euro.
Überhaupt die Zahlen. Insgesamt wird der Wechsel Paris um die 800 Millionen Euro kosten. Auf die 222 Millionen kommt noch die Mehrwertsteuer, macht 268 Millionen. Kolportiert wird ein Jahresgehalt von 30 Millionen netto, was für den Klub rund 90 Millionen macht, das französische Vereine den Spitzensteuersatz von 69 Prozent zahlen müssen. Das Ganze mal fünf, so lange soll der Vertrag laufen, macht dann plus Ablöse 718 Millionen. Da fehlt aber noch das Handgeld für Neymars Vater, der als sein Berater fungiert sowie der Wert eines Spielers, den Barcelona im Gegenzug erhalten möchte. Ganz oben auf der Wunschliste steht Marco Verratti, aber das dürfte schwierig werden. Andere Kandidaten sollen laut „Mundo Deportivo“ Adrien Rabiot, Angel di Maria und auch Julian Draxler sein. Dass Paris im Zuge des Financial Fair Play Spieler abgeben muss, ist unumgänglich. Und selbst dann dürfte es nahezu unmöglich sein, die Auflagen der Uefa zu erfüllen.
Ein ehemaliger Spieler, der gute Kontakte zu verschiedenen Gremien pflegt, sagt: „Intern beschäftigt man sich schon mit Alternativen, der Wechsel ist praktisch durch.“ Erste Option als neuer Partner für Lionel Messi und Luis Suarez ist Paulo Dybala von Juventus Turin. Barcelonas Präsident Josep Bartomeu hatte auf der Amerikareise einen Abschied des Stürmers angedeutet. „Wenn Neymar gehen will, dann zahlt er die Klausel bis auf die letzte Pesete.“
Den FC Barcelona trifft der Wechsel schwer. Es ist das erste Mal, dass tatsächlich ein Verein eine der enormen Ausstiegsklauseln bezahlt, mit der die Katalanen ihre Spieler binden. Lange galt das als unmöglich. Der Vertrag des Brasilianers lief noch vier Jahre und intern war klar, dass er nach Messis Abtritt des Gesicht des Klubs werden sollte. Nur will Neymar nicht mehr so lange warten. Es ist längst ein offenes Geheimnis, dass ihm die offizielle Sprachregelung Barças gegen den Strich geht. Jüngst erst hatte ihn Bartomeu als „zweitbesten Fußballer der Welt“ bezeichnet. Was als Kompliment gemeint war, kommt bei Neymar als vergiftetes Lob an.
„Wenn er geht, haben wir ein Problem weniger“
Das ewige Verneigen vor Messi vertrage sich nicht mehr mit seinem Ego, neben all dem Geld spielt auch Neid und verletzte Eitelkeit mit hinein. Aus seinem Umfeld heißt es, Neymar wolle endlich als Anführer und Nummer 10 wahrgenommen werden. Die Champions League strebe er mit Paris an, nur so könne er aus dem Schatten Messis und Ronaldos treten und endlich selbst den goldenen Ball für den Weltfußballer gewinnen. „Der beste Spieler der Welt im selben Team mit Messi zu werden, ist sehr schwierig. Ihm ist es wichtig, seine eigene Mannschaft zu haben“, sagte Draymond Green. Der Basketballstar der Golden State Warriors zählt zu Neymars Freunden und weilte am Sonnabend beim Spiel zwischen Barcelona und Real in Miami.
Wie sehr der Fußballer in seinem Handeln vom eigenen Vater und dem Umfeld gesteuert wird, lässt sich nur ahnen. Gerard Pique deutete an, Neymar wisse nicht, was er tun soll. Vergangene Woche hatte es noch nach einem Umdenken des Spielers ausgesehen. Nach einem Treffen mit führenden Köpfen der Mannschaft, unter anderem Lionel Messi, soll Neymar innerhalb des Teams noch sein Bleiben verkündet haben. Pique twitterte nach dem Treffen auch ganz zuversichtlich: „Er bleibt.“ Nun bleibt er doch nicht, was neben Paris vor allem bei Real Madrid Freude hervorruft. „Wenn er geht, haben wir ein Problem weniger“, schickte Sergio Ramos noch ein paar Abschiedsworte Richtung Barcelona. Sportlich mag das stimmen, bei Reals Präsident Florentino Perez wird der Wechsel dennoch bittersüße Gefühle hervorrufen. Perez, der gern Rekordtransfers für sich beansprucht, dürfte in Zukunft Mühe haben, die 222 Millionen zu überbieten.